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Physik-Ig-Nobelpreis 2025 für Pasta: Die geheime Muse der Physik

Dass Wissenschaft nicht immer abstrakt und gefühlt realitätsfern sein muss, beweisen Jahr für Jahr die Ig-Nobelpreise. Dieser satirische Preis wird traditionell knapp zwei Wochen vor dem echten Nobelpreis vergeben. Ausgezeichnet wird Forschung, die „erst zum Lachen und dann zum Nachdenken anregt“, so die Devise. Der Preis wird jedes Jahr in verschiedenen Kategorien vergeben, Physik gehört jedoch immer dazu.

Dieses Jahr ging der Physik-Ig-Nobelpreis an ein Team aus Italien, Deutschland, Österreich und Spanien für seine kulinarischen Bemühungen: Es hat das Rezept für eine spezielle Nudelsoße perfektioniert! Zur Feier des Tages wird Physicus Minimus zum Foodblog, auf dem ihr euch durch die lange Geschichte der optimalen Cacio e Pepe scrollen dürft, bevor ihr endlich zum Rezept kommt.

Nudeln in der Physik

Was ich spannend finde, ist, dass sich Physiker:innen offenbar sehr gern mit Nudeln beschäftigen. Eine Frage, die schon Richard Feynman beschäftigt haben soll, ist, warum Spaghetti niemals genau in der Mitte durchbrechen, sondern in mehrere Stücke zersplittern. Das Ergebnis von Feynmans Bemühungen soll aber lediglich eine Küche voller Nudelkrümel gewesen sein und keine echte Theorie. Erst 2005 haben Basile Audoly und Sébastien Neukirch den Fall geknackt (haha) und dafür ebenfalls den Ig-Nobelpreis gewonnen. Die beiden sind übrigens Franzosen, denn natürlich würden sich Italiener diese Frage niemals stellen – wer bricht schon Spaghetti durch?

Nudeln haben Forscher:innen dazu ermuntert, das Durchmischungsverhalten von Teilchen in Schachtel zu untersuchen, die Verformung mechanischer Bauteile, oder die Struktur von Neutronensternen – kein Scheiß! Ein englisches Team hat erst kürzlich die weltdünnsten Nudeln entwickelt, sie sind rund 200-mal dünner als ein menschliches Haar. Diese sogenannte Nanopasta schmeckt wohl nicht sonderlich gut, soll aber (potenziell vielleicht irgendwann in der Zukunft) ganz toll sein für biologisch abbaubare Verbände. Und wer in ein schwarzes Loch fällt, wird spaghettifiziert. Ganz klar: Pasta ist die geheime Muse der Physik.

Physikalisch Nudeln kochen

Das erste Mal hatte ich selbst mit Nudelphysik zu tun, als der Physik-Nobelpreisträger Giorgio Parisi ganz Italien mit seinem Nudelrezept gegen sich aufgebracht hat. Während der Energiekrise 2022 kreierte er angeblich eine neue Anleitung für energiesparendes Nudelkochen: Wasser zum Kochen bringen, dann Salz rein, Nudeln rein, warten, bis es blubbert, dann den Herd ausstellen, Deckel drauf und dann warten, bis die Nudeln in der Restwärme durchgegart sind. Italienische Sterneköche schlugen die Hände über dem Kopf zusammen! Mamma Mia!

Etwas später hatte ich die Gelegenheit, mit Parisi zu sprechen, und er hat mir erzählt, wie absurd er die Situation fand. Denn lustigerweise habe er nie ein solches Rezept entwickelt, sondern die Methode lediglich auf Facebook gesehen und geteilt mit den Worten: Wie spannend, das könnte funktionieren. Das ist dann missverstanden worden und in den Medien hochgekocht, manche nannten es gar die „Parisi-Methode“. Klar, die Geschichte hat Potenzial: Ein italienischer Physik-Nobelpreisträger erfindet das Nudelkochen neu – großartig! Aber ein schönes Beispiel dafür, dass manche Schlagzeilen spannender sind als die Realität.

Inspiriert von dieser Geschichte, haben aber zwei deutsche Forscher tatsächlich untersucht, wie man effizienter Nudeln kochen kann: traditionell, vorgequellt oder mit der „Parisi-Methode“? Das Ergebnis: Mit kreativen Methoden lässt sich zwar Energie sparen, wer aber perfekte Pasta möchte, kommt um die traditionelle Methode nicht drumherum. Hätte man sich vielleicht denken können, aber nun ist es wissenschaftlich bewiesen!

Cacio e Pepe wie von der Nonna

Beim aktuellen Ig-Nobelpreis gab es aber keine brodelnden Schlagzeilen-Fehler, sondern es war genau so, wie es klingt: Physiker – unter anderem aus Italien – haben Nudelsoße optimiert! Es geht um Cacio e Pepe, also eine Soße aus Pecorino-Käse und Pfeffer – und das war’s. „Eines der bekanntesten und kompliziertesten Pasta-Rezepte der italienischen Kochtradition“, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Publikation im Fachmagazin „Physics of Fluids“. Denn so einfach die Zutatenliste, so schwierig die Zubereitung. Macht man es falsch, hat man entweder wässrige Plörre oder einen gigantischen Käseklumpen auf dem Teller. Das Ziel ist hingegen eine cremig-weiche und perfekt ebenmäßige Soße.

Um das hinzubekommen, fügen Köch:innen der Soße etwas Nudelwasser hinzu. „Eine echte italienische Großmutter oder erfahrene Köch:innen aus Rom benötigen kein wissenschaftliches Rezept für Cacio e pepe, sondern verlassen sich stattdessen auf ihren Instinkt und jahrelange Erfahrung“, schreiben die Autoren. „Für alle anderen bietet dieser Leitfaden eine praktische Möglichkeit, das Gericht zu meistern.“ Also: keine Bevormundung, keine Ketzerei, sondern einfach ein Leitfaden für all die weniger begabten unter uns, die beim Kochen ein bisschen mehr Hilfe brauchen.

Ein Klumpen Mozzarella

Das Geheimnis der perfekten Cacio e Pepe liegt im Verhältnis aus Käse und Stärke, die im Pastawasser ist. Stärke hilft dabei, die Soße zu emulgieren. Eine Emulsion ist eine Mischung aus eigentlich nicht-mischbaren Teilen, wie Wasser und Öl, Essig und Öl, oder Pizza und Ananas. Typische Beispiele sind Mayonnaise, Milch, Cremes, Salatdressing oder eben Nudelsoße. Cacio e Pepe enthält Wasser, Fett aus dem Käse und Stärke im Nudelwasser, um das Ganze zu stabilisieren. Aus dem gleichen Grund macht ein Schöpflöffel Nudelwasser Soßen ganz allgemein fester und verbindet sie zu einer homogenen Masse.

Das Problem ist, das perfekte Verhältnis zu finden. Ist zu wenig Stärke in der Soße, verklumpt der Käse zu einem großen Klotz, das nennen die Forscher „Mozzarella-Phase“. Ist aber zu viel Stärke drin, wird die Soße zu fest und schmeckt nicht. Und auch die Temperatur muss stimmen. Wird die Soße zu heiß, denaturieren die Käseproteine, sprich die Moleküle gehen kaputt und die Soße verklumpt. Ihr seht: Viele Wege führen zu klumpiger Soße, aber nur einer zur geschmeidigen Creme.

Das Geheimnis liegt in der Soße

Um das perfekte Verhältnis aus Wasser, Käse und Stärke zu finden, haben die Forscher Experimente durchgeführt. Dazu haben sie zuerst das Käse-zu-Wasser-Verhältnis fix gehalten, die Temperatur kontrolliert und die Menge an Stärke variiert. Um das wissenschaftlich akkurat und reproduzierbar hinzubekommen, haben sie kein Nudelwasser genommen, sondern präzise Stärke und Wasser gemischt. Anschließend haben sie die Stärkemenge fixiert und die Käsemenge variiert.

So haben sie ein sogenanntes Phasendiagramm für Nudelsoße erstellt. Dieses zeigt die Größe der Partikel in der Soße in Abhängigkeit von der Temperatur und von entweder dem Stärke-, Wasser- oder Proteinanteil. Phasendiagramme zeigen für gewöhnlich, wann Stoffe von einer Phase in eine andere übergehen: Das Phasendiagramm von Wasser zeigt etwa, unter welchen Bedingungen Wasser flüssig, fest oder gasförmig ist. Das Phasendiagramm von Nudelsoße zeigt, wann sich die Mozzarella-Phase ausbildet und wann die Soße schön cremig ist.

Ein wissenschaftliches Rezept

So fanden die Forscher heraus: Zwischen 2 und 3 Prozent Stärke (im Verhältnis zur Käsemasse) braucht die Soße für die perfekte Cremigkeit und das Wasser darf nicht heißer sein als 65 °C, wenn der Käse hinzukommt, sonst klumpt er. Profis haben diesen Bereich im Gefühl, alle anderen helfen nach.

Cacio e Pepe
Wissenschaftlich perfekte Cacio e Pepe (Bild: ISTA)

Für zwei Personen nehme man laut der Publikation 300 g Pasta – idealerweise Tonnarelli (wer das nicht findet oder wie ich noch nie davon gehört hat, kann auch Spaghetti oder Rigatoni nehmen) – und 200 g Käse (Traditionalisten schwören wohl auf Pecorino Romano DOP). Die korrekte Menge an Stärke (aus Kartoffeln oder Mais) ist in diesem Fall also 5 g. Diese rührt man in 50 g Wasser ein und kocht die Mischung auf, bis sie dick und dann fast transparent wird. Dieser Schritt heißt Stärkeverkleisterung und funktioniert wie beim Puddingkochen.

Dann empfehlen die Forscher, dieses Gel in den Mixer zu geben und 100 g Wasser hinzuzufügen. Das kühlt die Stärke ab und vereinfacht das Mixen. Erst wenn beides vermischt wurde, kommt der Käse dazu. Im Ergebnis hat man ein perfektes Wasser-zu-Käse-Verhältnis von 75 Prozent. Zuletzt kommt der Pfeffer rein – idealerweise in der Pfanne vorgeröstet – und fertig ist die perfekte Soße. Übrigens: Wer keine Kartoffelstärke im Haus hat, kann auch Trinatriumcitrat nehmen – easy! Folgt mir für mehr Kochtipps.

Die Nudeln kocht man ganz normal im leicht gesalzenen Wasser al dente. Bevor ihr sie abschüttet, packt etwas Kochwasser zur Seite. Die Nudeln müssen etwa eine Minute abkühlen, damit die Hitze die Soße nicht destabilisiert. Idealerweise erhitzt man die Soße dann über 40 Minuten von knapp 50 auf 95 °C (dass das in einer echten Küche etwas unpraktisch ist, geben selbst die Autoren zu – den Schritt kann man wohl auch überspringen).

Zuletzt mischt man Soße und Nudeln und gibt etwas Nudelwasser hinzu, um die Konsistenz zu optimieren. Leider enttäuscht mich das wissenschaftliche Rezept hier: Wie viel Wasser braucht eine „optimale Konsistenz“? Wir wissen es nicht!

Ein Vorteil dieser Methode sei, dass die Nudeln auch wieder aufgewärmt werden können, ohne ihre Stabilität zu verlieren, am besten in der Pfanne auf 80 – 90 °C (die Mikrowelle ist wohl nicht traditionell genug für italienische Omas). Noch besser ist aber wohl, einfach alle Nudeln aufzuessen.

Warum das Ganze?

Ich find es erfrischend, dass die Autoren nicht behaupten, dass diese Nudelsoße potenziell vielleicht irgendwann in der Zukunft für leistungsfähigere Batterien oder geschmeidigere Medizin nützlich sein könnte. Ig-Nobelpreisträger Fabrizio Olmeda vom ISTA in Österreich erklärt: „Mein Antrieb wird immer darin bestehen, Phänomene zu untersuchen, die mich faszinieren, auch wenn sie außerhalb meines Fachgebiets, die Physik der Einzelzell-Genomik, liegen. Trotz immer stärkerer Spezialisierung bin ich der Meinung, dass es auch in meinem üblichen Forschungsbereich von Vorteil sein kann, sich etwas Zeit zu nehmen, um etwas Ungewöhnliches zu erforschen. Ich denke, diese Auszeichnung spiegelt diese Idee wider, denn ihr Motto ‚Zuerst Lachen, dann Nachdenken‘ kann Menschen für die Wissenschaft begeistern.“ Und am besten über einem Teller Nudeln. Guten Appetit!


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