Close

Science Slam – Wettkampf der Nerds

Ich bin deutsche Vize-Meisterin im Science Slam 2021! Ich freu mich total und finde, das ist eine gute Gelegenheit euch in die Welt des Science Slams mitzunehmen. Hoffentlich kann ich euch ein paar der häufigsten Fragen zum Science Slam beantworten und vielleicht motiviere ich ja die ein oder den anderen sich selbst einmal auf die Bühne zu wagen, um eure hart erarbeitete Forschung mit der Welt zu teilen.


Fangen wir mit einer kurzen Erklärung an, für diejenigen, denen Science Slam gar nichts sagt. Beim Science Slam geht es darum, Wissenschaft anschaulich und mitreißen auf der Bühne innerhalb einer kurzen Zeitspanne zu erklären; meistens sind es 10 Minuten. Dabei sind alle Hilfsmittel erlaubt! Grundausrüstung ist eine Präsentation mit Abbildungen – von selbst gezeichnet Meisterwerken bis zum bekannten Internet-Meme –, die gleichzeitig brüllend komisch ist und komplexe Wissenschaft veranschaulicht. Manchmal werden auch live auf der Bühne Experimente durchgeführt, Musik gespielt oder jongliert – was hilft ist erlaubt! Die Grundidee von Science Slam ist, dass Wissenschaftler:innen ihre Forschung aus dem „Labor“ auf die Bühne und zum Publikum bringen. Alle wissenschaftlichen Disziplinen sind dabei vertreten; also auch solche, die mit Laboren nichts zu tun haben.

In vielen Fällen ist es eine Regel, dass die Vortragenden über ihre eigene Forschung sprechen müssen. Das heißt auch wenn ich Astrophysik noch so spannend finde und genug Ahnung habe, darf ich damit bei den meisten Science Slams nicht antreten. Deshalb ist es bei solchen Slams, die auf eigener Forschung basieren, dann auch selbstverständlich, dass die Vortragenden Wissenschaftler:innen sind (oder zumindest einmal waren). Veröffentlicht müssen die Ergebnisse aber nicht sein – du kannst also auch mit deinem Bachelorthema bei einem Science Slam antreten!

Wettschreit der Wissen-Schaffenden

Einen Punkt haben wir noch nicht angesprochen: den Slam. to slam someone bedeutet auf Deutsch jemanden niedermachen. Ganz so hart geht es (in der Regel) nicht zu, aber trotzdem ist Science Slam ein Wettkampf. Nach den Vorträgen stimmt das Publikum ab, welcher Vortrag ihnen am besten gefallen hat. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Methoden: entweder mit Punktekarten, mit der Laustärke von Applaus, Streichhölzern oder Murmeln, die in verschiedene Gefäße geschmissen werden, oder – in Pandemiezeiten – im Online-Voting.

Die Devise von Science Slam ist aber: es geht nicht ums gewinnen, es geht um die Wissenschaft. Natürlich freue ich mich, wenn ich gewinne, aber Gewinnen ändert eigentlich nicht viel. Die Preise beim Science Slam sind eher symbolisch: Bücher (natürlich wissenschaftlich und meist mit Bezug zur Veranstaltung), Wein, Tassen, ein Brettspiel, Kühlschrankmagneten und natürlich: Ruhm und Ehre. Nur ein einziges Mal hab ich einen Geldpreis im drei- bis vierstelligen Bereich erlebt. Der Slam wurde von einem Forschungsprojekt unterstützt.

Sabrina Patsch beim Science Slam der Wissensstadt Berlin
Science Slam der Wissensstadt Berlin vor dem Roten Rathaus. Bildquelle: Kulturprojekte Berlin, Foto: Oana Popa-Costea

Berufswunsch: Science Slam?

Wo wir schon bei Geld sind: Wird man dafür eigentlich bezahlt? Kann man vom Science Slam leben? Nope (zumindest nicht ausschließlich). Zum einen, weil Science Slams nicht häufig genug stattfinden, um einen Vollzeitjob zu füllen. Zum anderen werden viele Slams nicht bezahlt. Immerhin werden in der Regel die Übernachtungs- und Fahrtkosten bezahlt; als gelegentliche Reiseoption eignet es sich also vielleicht. Aber in seltenen Fällen gibt es nicht einmal das: neulich habe ich in einer Garderobe im Backstage-Bereich eines Kulturzentrums auf einem Klappbett übernachtet. Es war nicht so schlimm wie es klingt, es war eigentlich ganz nett da und der Spiegel verbreitete einen Hauch von Glamour.

Glücklicherweise werden aber viele Science Slams bezahlt – üblich ist ein kleines Honorar von 100€. In Einzelfällen gibt es auch mal mehr, insbesondere wenn es Auftraggeber gibt, die einen Science Slam in ihrer Location oder bei ihrem Event veranstalten wollen. Ich habe zum Beispiel mal einen Vortrag im Science-Slam-Stil bei der Verleihung eines Preises für Quantenphysik gehalten; da bekommt man dann ein bisschen mehr. Sowas ist aber eher die Ausnahme, zumindest für mich. Vielleicht ändert sich das mit dem Vize-Titel ja (ruft mich an!).

Klappbett in Garderobe
Mein Nachtlager in der Garderobe eines Kulturzentrums

Vom Poetry zum Science Slam

Bevor es mehr Anekdoten gibt, machen wir ein bisschen Geschichte. Wirklich nur ein bisschen, versprochen, denn viel zu sagen gibt es tatsächlich gar nicht. Science Slam ist abgeleitet vom Poetry Slam. Das funktioniert eigentlich genauso wie Science Slam, nur geht es dabei – Überraschung – um Poesie, also um Gedichte. Meistens sind Hilfsmittel dabei aber verboten und die Vortragszeit ist kürzer. Poetry Slam entstand 1986 in den USA und wurde in den 90ern weltweit beliebt, insbesondere in Deutschland. Seit 2016 ist Poetry Slam offiziell ein immaterielles Kulturerbe des UNESCO. Genauso wie die deutsche Brotkultur, das Sternensingen und die Zubereitung und Anwendung von traditionellem Kalkmörtel.

Mehr will ich über Poetry Slam auch gar nicht sagen, denn eigentlich habe ich keine Ahnung von Poetry Slam. Der erste Science Slam wurde 2006 vom Poetry Slammer Alex Dreppec in Darmstadt veranstaltet und ab 2008 von Markus Weißkopf vom Haus der Wissenschaft Braunschweig aufgegriffen und verbreitet. Es gibt mittlerweile sogar schon ein wissenschaftliches Buch zum Science Slam, bei dem beide mitgewirkt haben. Ich habe es selbst leider nicht, sonst könnte ich jetzt eloquent daraus zitieren, aber vielleicht hole ich das noch nach!

Heute gibt es Science Slam in vielen deutschen Städten. Die zwei größten Veranstalter sind Science-Slam.com und ScienceSlam.de, Science Slams werden oft aber auch „inoffiziell“ von anderen Leuten und Gruppen veranstalten. Der bisher größte Science Slam fand in Wiesbaden statt und hatte 4600 Besucher:innen – wie unglaublich und wundervoll, dass sich so viele Leute für Wissenschaft interessieren! Dieses Großevent war übrigens nichts anderes als die deutsche Meisterschaft im Science Slam 2018. Denn seit 2010 veranstaltet Science-Slam.com eine deutsche Meisterschaft, bei der zum Beispiel 2013 Reinhard Remfort von Methodisch Inkorrekt gewonnen hat. Ich bin dieses Jahr auf dem zweiten Platz gelandet und damit Vize-Meisterin hinter der wundervollen Janine Moyer!

Eine unerwartete Reise

Angefangen hab ich mit Science Slam tatsächlich erst letztes Jahr. Mein erster Slam war der Q-Science Slam der Uni Stuttgart im Februar 2020. Ich kann ihn nur weiterempfehlen (schaut mal vorbei), sowohl für Slammer:innen als auch fürs Publikum. Wie der Name vermuten lässt, geht es dabei ausschließlich um Quantenphysik – wenn das mal nicht Grund genug ist! Außerdem wird vor dem Slam ein Vorbereitungsworkshop mitsamt Stimmtraining und Dramaturgie-Tipps angeboten. Gerade als Neu-Slammer:in ist man da in super Händen und die finalen Slams sind auf hohem Niveau – also eine super Show fürs Publikum!

Sabrina Patsch beim QScience Slam Stuttgart
Q-Science Slam der Uni Stuttgart im Theaterhaus Stuttgart. Foto: Max Kovalenko/IQST

Und dann kam die Pandemie und mit ihr dunkle Zeiten fürs Bühnenvolk. Keine Frage: Für mich ist Science Slam ein Hobby, professionelle Künstler:innen hat es unvergleichlich viel härter getroffen. Aber frisch das erste Mal auf der Bühne gestanden musste ich direkt ein halbes Jahr Auszeit nehmen. Danach hatte ich zum Glück immer mal wieder die Gelegenheit auf die Bühne zu gehen; manchmal mit Publikum, meistens so gut wie ohne.

Das war nicht nur schade um die tatsächlichen Slams, sondern auch wegen der sozialen Komponente, denn Science Slams sind auch abseits der Bühne immer super spaßig. Häufig sitz ich leicht bibbernd und aufgeregt im Zug auf dem Weg zum Slam, und sobald ich ankomme und mit meinen Mitstreiter:innen plauder und rumwitzel legt sich die Aufregung. Nach den Veranstaltungen sitzen wir zusammen, trinken Bier, essen Pizza und machen uns einen schönen Abend. Manchmal im Club, manchmal mit Ukulele in der Bastelecke eines Museums. Keine Spur von Konkurrenzkampf.

Die Meisterschaft

Deutschlandkarte mit eingezeichneter Route
Meine Reiseroute in der Meisterschafts-Woche

Wie ihr vielleicht auf Social Media verfolgt habt, hatte ich gerade vor der Meisterschaft eine geschäftige Woche. Ich habe an vier Slams in fünf Tagen teilgenommen – und dabei gut 2300km zurückgelegt. Das Timing war tatsächlich mehr oder weniger Zufall. Es war keine „offizielle Warm-Up Woche“, sondern vermutlich eher „Pandemie-Torschlusspanik“. Ich muss zugeben: die Woche war hart. Früher bin ich wegen meiner Forschung viel rumgereist, aber mit der Pandemie ist mein Weltenbummler-Gen etwas eingeschlafen. Wenn die Aufregung vor Auftritten auch mittlerweile abgenommen hat, bin ich doch angespannt. Dazu sind die Abende lang, man schläft in ungewohnten Betten und hat wohlmöglich noch eine stundenlange Zugfahrt mit Verspätungen oder Ausfällen hinter sich.

Dementsprechend war ich beim Finale schon nicht mehr völlig frisch. Noch dazu kamen (wie ihr vielleicht miterleben habt) die technischen Probleme mit dem Live-Stream. Um acht Uhr standen wir startbereit am Bühnenrand. Genauer gesagt: in einem kleinen Fake-Keller mit leider-nicht-ganz-so-Fake Spinnen, um im richtigen Moment euphorisch die Treppe hoch und auf die Bühne zu rennen. Pustekuchen! Eine viertel Stunde standen wir da unten, bevor man uns sagte, der Stream funktioniert nicht und wir sollen erstmal wieder raufkommen. Dann warten. Dann: der Stream funktioniere nicht, wir machen eine Aufnahme. Eine Minute später: Doch, es klappt, hopp runter, es geht los! Wir von null auf hundert, warten unten, rennen im falschen Moment hoch, der Stream funktioniert dann doch nicht, und letztendlich wird unser phantastischer Bühnenaufgang rausgeschnitten. Emotionale Achterbahn!

Finalist:innen der deutschen Science Slam Meisterschaft 2021
Die fünf Finalist:innen der deutschen Science Slam Meisterschaft 2021. Foto: Science-Slam.com

Unsere Slams liefen letztendlich alle gut, wir sind alle im Zeit-Limit geblieben. Ich war nicht in Höchstform und hab mich an einigen Stellen verhaspelt, aber den Umständen entsprechend haben wir alle unser Bestes gegeben. Letztendlich schien es gereicht zu haben, denn ich bin Vize-Meisterin geworden! An dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle, die für mich abgestimmt haben – ich würde wetten, dass ich das zum Teil euch, meinen Leser:innen, zu verdanken habe!


Wie geht es nun weiter? Erstmal leider: gar nicht. Die Pandemie macht uns wieder einmal das Leben schwer. Ich habe bereits zwei Termine für Februar und März, aber ob die dann auch stattfinden können? Wir werden sehen. Doch wenn es dazu kommt werde ich euch hoffentlich als frisch gebackene Doktorin der Physik von kontrollsüchtigen Wissenschaftler:innen, mutiertem Gemüse und tanzenden Atomen erzählen können.


Gefällt dir was du liest? Dann schau auf YouTube vorbei, wo du eine Playlist mit meinen Science Slam Auftritten findest. Und wenn du magst kannst du mir hier einen Kaffee spendieren! Wenn du keinen neuen Beitrag mehr verpassen willst, vergiss nicht meinen Blog zu abonnieren.


Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.