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FAQ: Quantencomputer – Vom Bit zum Qubit

Quantencomputing

Quantencomputer bringen die Quantenphysik ins Rampenlicht. Weil sich Giganten wie Google, IBM, Microsoft und Amazon darum reißen sind sie in aller Munde. Neben Fachzeitschriften berichten auch Tageszeitungen und Klatschmagazine von Qubits und Co. Immer werden Quantencomputer „einfach und kompakt erklärt“. Ich könnte auch so einen Artikel schreiben, doch ganz speziell möchte auf die Missverständnisse und Verwirrung eingehen, die solche Artikel oft verursachen. Das ist nicht (zwangsläufig) die Schuld der Autor*innen, denn niemand kann Quantenphysik hinreichend mit 5000 Zeichen erklären. Andere hingegen verkaufen den Quantencomputer unverfroren als einen heiligen Gral oder Pandoras Büchse. Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

Ich werde mein FAQ in drei Teile teilen. Dieser hier ist der erste, in dem sich alles um den Grundbaustein des Quantencomputers dreht: Das Qubit. Was sind Qubits? Woraus bestehen Qubits? Ist ein Qubit besser als ein Bit? Im nächsten Teil „Vom Qubit zum Quantencomputer“ dreht sich alles darum, was man für einen Quantencomputer braucht und wie genau er funktioniert. Im dritten und letzten Teil „Vom klassischen zum Quantencomputer“ geht es darum, wofür Quantencomputer eigentlich gut sind (oder auch nicht). Am Ende des Artikels findet ihr eine ausführliche Liste von wissenschaftlichen Quellen und Links zu den erwähnten Projekten.

Was sind Qubits?

Qubit ist eine Abkürzung und steht für Quantenbit. Es ist also, kurz gesagt, die Quantenversion eines klassischen Bits. Der Begriff Bit ist auch wieder ein Schachtelwort (also die Verschachtelung zweier Worte zu einem neuen: Deutsch + Englisch = Denglisch) aus dem englischen: binary digit = bit. Binary digit bedeutet binäre Ziffer. Eine Ziffer ist ein Zahlzeichen, also die zehn Zeichen von 0 bis 9. Das Wort Binär kommt aus dem lateinischen und steht für zweifach. Ein binäres System basiert also nur auf zwei verschiedenen Ziffern. Im Prinzip kann ein binäres System aus jeden beliebigen zwei Ziffern aufgebaut werden, doch in der Regel werden die beiden Ziffern 0 und 1 verwendet.

Physicus in Binärcode
Das Wort „Physicus“ in Binärcode

Wir haben das Wort Qubit in seine Bestandteile zerlegt. Um Qubits zu verstehen müssen wir mit dem Fundament, den Bits, beginnen. Ein Bit ist eine binäre Zahl und damit die kleinste Informationseinheit, die wir uns vorstellen können. 0 oder 1, Ja oder Nein, An oder Aus. Das letzte Beispiel betrifft zum Beispiel einen Stromfluss: Strom an oder Strom aus. Und genau das passiert in Computern. Um Informationen zu verarbeiten muss ein Computer sie zuerst in Nullen und Einsen zerlegen, und diese entsprechen kleinen Schaltern, die den Stromfluss erlauben oder verhindern. Von diesen Bits/Schaltern gibt es in einem Computer Abermillionen. Während der Informationsverarbeitung klickt der Computer diese Schalter hin und her, und die finale Schalterstellung verrät uns das Ergebnis der Rechnung.

Wird ein Bit jedoch nicht aus einem Schalter, sondern aus einem Quantensystem hergestellt (mehr dazu in Woraus bestehen Qubits?), dann spielen quantenphysikalische Effekte eine Rolle. Der wichtigste in diesem Kontext ist der Welle-Teilchen-Dualismus, über den ihr hier mehr lesen könnt. Kurz gesagt heißt Welle-Teilchen-Dualismus, dass sich Teilchen immer auch wie Wellen verhalten und umgekehrt. Teilchen können sich also wie Wasserwellen überlagern – nicht nur mit anderen, sondern auch mit sich selbst! Eine Welle ist auch nicht mehr nur hier oder dort, schnell oder langsam, sondern sie ist alles gleichzeitig. Wenn sich ein Quantensystem in einer Überlagerung mehrere Zustände befindet nennen wir das Superposition.

Bit und Qubit
Ein klassisches Bit kann wie ein Schalter zwischen den Zuständen 0 und 1 hin und her schalten. Ein Qubit ist eher wie ein Pfeil auf einer Kugel und kann in beliebige Richtungen zeigen. 1 und 0 entsprechen nur dem Nord- und Südpol der Kugel.

Was bedeutet das für unser aus Quantenteilchen gebautem Bit? Der Quanten-Schalter muss sich nicht mehr zwischen An/1 und Aus/0 entscheiden, sondern er kann sich in einer Überlagerung dieser beiden Zustände aufhalten. Er kann im Zustand 0 sein, oder im Zustand 1, er kann aber auch zur Hälfte im Zustand 0 und zur Hälfte im Zustand 1 sein, oder zu 42% in 0 und zu 58% in 1. Da sich diese Bits so grundsätzlich anders verhalten als „normale“ Bits werden sie Quantenbits, oder kurz Qubits, genannt. Aufgrund dieser Überlagerung verhalten sich die Qubits weniger wie Schalter, sondern mehr wie Pfeile, die auf einen Punkt einer Kugeloberfläche zeigen. Die Schalterpositionen 1 und 0 entsprechen dann lediglich dem Nord- und Südpol der Kugel, und die 50/50-Mischung liegt auf dem Äquator.

Wie übersetzt man Quanteninformation in klassische?

Hier habe ich vielleicht etwas vorgegriffen, denn vielen war vermutlich nicht bewusst, dass eine solche Übersetzung nötig ist. Qubits sind, wie im letzten Abschnitt erklärt, eher kleine Kugeln, statt Schalter. Doch wir hier in der Welt der Schalter können mit Kugeln nichts anfangen. Lasst mich erklären:

Ein Bit, also ein Schalter, kann einfach ausgelesen werden. Wir können uns das Auslesen der Information als Ja-/Nein-Frage vorstellen. Der Schalter ist entweder oben oder unten, das Bit ist in 0 oder 1.

Auslesen eines Bits
Beim Auslesen eines Bits muss nur die Schalterstellung abgelesen werden.

Was ist mit dem Qubit? Zeigt der Pfeil zum Nord- oder Südpol funktioniert das Auslesen genauso. Doch was, wenn der Pfeil irgendwo dazwischen liegt? Wenn wir das Qubit fragen „Bist du im Zustand 1?“, dann muss es sich für eine Antwort entscheiden: Ja oder Nein. Das Qubit kann nicht Jain sagen. Das wird klar, wenn wir uns die Messung mit einem Detektor vorstellen. Entweder der Detektor klickt (1) oder nicht (0) – er kann nicht „ein bisschen“ klicken.

Auslesen eines Qubits
Beim Auslesen eines Qubits muss eine klare Antwort gegeben werden. Befindet sich das Qubit in einer Superposition, dann „kollabiert“ es zufällig in eine der beiden Möglichkeiten.

Was passiert also, wenn der Pfeil zwischen Nord- und Südpol zeigt? Der Detektor klickt zufällig, abhängig vom „Breitengrad“ des Pfeils. Zeigt er auf den Äquator, dann wird der Detektor mit 50% Wahrscheinlichkeit klicken (1) und mit 50% Wahrscheinlichkeit nicht (0). Zeigt der Pfeil nördlicher, zum Beispiel auf Finnland, dann wird er mit ca. 80% Wahrscheinlichkeit klicken, es ist jedoch auch möglich, dass er nicht klickt. Sobald wir das Qubit messen wird die Superposition zerstört. Das Qubit wird zum Bit, die Kugel wird zum Schalter, dessen Position wir nur mit einer gewisse Wahrscheinlichkeit voraussagen können.

Man könnte nun überlegen, ob wir dem Qubit vielleicht die falsche Frage stellen. Wenn der Pfeil des Qubits zum Beispiel auf den Äquator zeigt, sollte ich nicht lieber fragen: Bist du in Indonesien oder Ecuador? Ja, das kann ich, doch wenn ich keine Ahnung hab, auf welchen Punkt der Kugel der Qubit zeigt, habe ich nichts gewonnen. Wieder wird das Messergebnis zu einer Ja-/Nein-Frage reduziert, wenn auch zu einer anderen.

Die Messung hat eine gravierende Wirkung auf das Qubit: Egal wo der Pfeil vorher stand, ob am Nordpol, am Äquator oder in Finnland, wenn der Detektor klickt ist das Qubit im Zustand 1 (oder wenn er nicht klickt in 0). Dabei geht Information verloren, da alle Punkte auf der Kugel auf den Nord- oder Südpol geworfen werden. Wenn der Detektor klickt, wissen wir nicht, ob die Wahrscheinlichkeit dafür nun 100% war oder eventuell nur 1%. Wir wissen nicht, auf welchem Breiten- oder Längengrad der Pfeil lag. Beim Klick des Detektors wissen wir nur: Jetzt ist das Qubit im Zustand 1. Und diese Reduktion ist nicht wieder rückgängig zu machen.

Aber… was SIND Qubits? Woraus bestehen sie?

Klassische Bits sind im Prinzip Schalter in elektrischen Stromkreisen. In einem Computerprozessor finden sich sehr viele solcher Schalter. Um Prozessoren zu verkleinern, und somit Computer von Raum- auf Hosentaschengröße zu schrumpfen, müssen die Bits verkleinert werden. Moores Gesetz besagt, dass sich die Größe von Prozessoren etwa alle zwei Jahre halbiert (mehr dazu findet ihr in meinem Artikel zur zweiten Quantenrevolution). Treibt man diese Verkleinerung ans Limit, dann besteht ein Bit nur noch aus einem einzelnen Atom. Ein Atom steht jedoch unter dem Einfluss der Quantenphysik und verhält sich anders als ein klassischer Schaltkreis – und wir haben ein Qubit.

Eine Sache klingt vielleicht komisch: Atome sind keine Schalter und sie können mehr als nur zwei Zustände annehmen. Tatsächlich können sie in unendlich viele Energiezustände angeregt werden, und „unendlich“ ist sehr viel größer als Zwei. Doch das ist nicht schlimm, denn um ein Quantensystem als Qubit zu verwenden muss man „nur“ zwei Zustände finden, die ausreichend von allen anderen abgeschottet sind. Das bedeutet zum Beispiel, dass man in einem Atom nur diese beiden Zustände mit dem Laserpuls anspricht und keine anderen. Je besser das funktioniert, desto besser ist das Qubit.

Es gibt viele Ansätze Qubits zu bauen, Atome sind nur eines von vielen Beispielen. Hier ein kurzer Überblick über die beliebtesten Plattformen:

Atome

Atom

Atome sind stabil, langlebig und können mit Licht kontrolliert werden. Alle Atome einer Sorte sind von Natur aus identisch und ein atomares Qubit ist deshalb exakt wie das andere, was zu geringen Fehlerraten führt. Sie lassen sich jedoch nur schwer einfangen und sind daher nicht die beliebteste Plattform für den Bau eines Quantencomputers. Trotzdem widmen sich einige dieser Aufgabe, wie Forschungsgruppen aus Paris, Arhus (Dänemark) und Wisconsin (USA), sowie das US-amerikanische Start-Up atom computing aus Kalifornien.

Ionen

Der Grund, warum sich Atome nur schwer festhalten lassen, ist, dass sie elektrisch ungeladen sind. Bei Ionen, also geladene Atome, sieht das jedoch anderes aus. Ionen haben alle Vorteile von Atomen plus sie können gut einfangen werden. Und nicht nur das: Forscher*innen haben bereits ausgeklügelte Mikrochips entwickelt, über deren Oberfläche die Ionen wie durch Zauberhand schweben und hin und her transportiert werden können – wie in einem kleinen Shuttlebus.

Niedersachsen Quantencomputer
Niedersachsen steigt ein in das Rennen zum Quantencomputer mit dem QVLS.

Die Universität Innsbruck ist Vorreiter in diesem Feld. Wie viele Forschungsgruppen in der Quantentechnologie haben sie ein Start-Up für die Weiterentwicklung der Technolgie gegründet. In diesem Falle heißt es AQT und sie stellen Ionen-Quantencomputer mit Cloud-Zugang und Software zur Verfügung. Die Uni Innsbruck hat sich außerdem mit Infineon Technologies, dem größten Halbleiter-Hersteller Deutschlands zusammengetan, um an der industriellen Fertigung der Chips zu arbeiten. Mehr dazu findet ihr hier. Innsbruck ist jedoch nicht konkurrenzlos: auch das Unternehmen IonQ aus Maryland und die Uni Mainz arbeiten an ionischen Quantencomputern. Ganz frisch dabei ist auch das Land Niedersachsen – meine gebürtige Heimat! – mit dem Forschungsprojekt Quantum Valley Lower Saxony, das vor zwei Wochen gestartet ist. Ihr Ziel ist ein Quantencomputer mit 50 Qubits bis 2025.

Supraleitende Qubits

Hier wird es abstrakter. Statt Qubits aus „nackten“ Quantensystemen wie Atomen oder Ionen zu bauen, können sie auch, ähnlich wie in normalen Computern, aus Schaltkreisen konstruiert werden. Die Schaltkreise sind so klein und präzise gefertigt, dass Quanteneffekte eine Rolle spielen. Um diese Präzision zu erreichen werden die Schaltkreise so tief herunter gekühlt, dass sie supraleitend werden, also keinen elektrischen Widerstand mehr haben. In diesem Sinne ist ein Quantencomputer tatsächlich nur ein sehr gut verarbeiteter klassischer Computer. Supraleitende Qubits sind weniger stabil als Atome und Ionen, da sie aus vielen Teilchen bestehen, die konstant miteinander und ihrer Umgebung wechselwirken. Allerdings können supraleitende Qubits schneller angesteuert und kontrolliert werden und müssen daher nicht so lange stabil sein, wie Atome oder Ionen, um die gleiche Rechenleistung zu vollbringen.

Kampf Google vs. IBM um die Meisterschaft

Hier kommen nun die großen Streithähne Namen ins Spiel: Google und IBM. IBM startete das Rennen 2001 mit ersten Qubit-Experimenten. Seit 2016 ermöglichen sie Nutzern Zugriff auf ihre Quantencomputer mit bis zu 15 Qubits über die Cloud. Die Plattform ist öffentlich, jeder kann darauf zugreifen! IBM hält außerdem den aktuellen Rekord für den Quantencomputer mit den meisten Qubits: 65. Google hingegen war 2019 groß in den Medien, als sie behaupteten „Quantenüberlegenheit“ erreicht zu haben. Das bedeutet, sie behaupteten mit einem Quantencomputer erstmals ein Problem gelöst zu haben, das auf einem normalen Computer unmöglich lange (genauer gesagt: 10 000 Jahre) gedauert hätte. IBM konterte diesen Hieb und sagte, ein klassischer Computer könne das Problem in 2,5 Tagen lösen, wenn man denn effizient vorginge. IBM plant bald auf tausend Qubits aufzurüsten, Google legt mit einer Millionen Qubits innerhalb von 10 Jahren nach. Es bleibt spannend!

Diamanten

Diamant

Bling Bling? Eher nicht. Für Quantencomputer werden nur kleine, schmutzige Diamanten verwendet, also genau die, die man für Schmuck nicht möchte. Das Kristallgitter der Diamanten ist durch Atome verunreinigt, die dem Diamanten eine neue Farbe geben. Beliebt ist zum Beispiel Stickstoff, wodurch der Stein gelb wird. Diese Fehlstelle macht den Diamanten doch gerade erst interessant für die Quantentechnologie. Der Spin der Fehlstelle kann als Qubit verwendet werden und im Gegensatz zu supraleitenden Qubits sind keine supertiefen Temperaturen notwendig. Doch genau wie die supraleitenden Qubits sind die Diamanten-Qubits weniger stabil als Atome und Ionen, da sie mit den anderen Atomen des Kristalls wechselwirken. Wegen ihrer leichten Handhabung sind sie aber sehr beliebt, zum Beispiel bei Arbeitsgruppen aus Harvard, Stuttgart und der LMU München.

Licht

Photon

Photonen sind Quantensysteme und auch aus ihnen kann man Qubits bauen. Licht gibt es überall und und es lässt sich einfach manipulieren. Ein Photon wechselwirkt jedoch nicht so gern mit einem anderen (weswegen das Zusammenschlagen der Lichtschwerter in Star Wars auch nicht funktionieren würde), was problematisch für den Bau eines Quantencomputers ist. Photonen sind außerdem mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs und büchsen daher noch schneller aus als Atome. Doch zum Beispiel Forscher*innen aus Wien versuchen einen photonischen Quantencomputer zu entwickeln.

Ist ein Qubit besser als ein Bit?

Nein. Ein Qubit allein kann erst einmal nicht mehr als ein einzelnes Bit. Der Grund dafür ist die oben erklärte Übersetzung von Quanteninformation zu klassischer Information. Nach der Messung ist ein Qubit auch nur ein Bit.

Spannend wird es erst, wenn mehrere Qubits zusammenkommen. Im nächsten Teil geht es darum, wie man aus einzelnen Qubits dann tatsächlich einen Quantencomputer baut. Hier erwarten uns spukhafte Wechselwirkungen, Meister des Multitasking und jede Menge Reis.


In diesem Artikel habe ich über den Quantencomputer gesprochen, der nur eine von vielen Quantentechnologien ist. Vielleicht interessiert dich auch der Artikel zur zweiten Quantenrevolution.
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Quellen

5 thoughts on “FAQ: Quantencomputer – Vom Bit zum Qubit

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