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Was sind eigentlich diese Quanten?

Ein Quäntchen Glück, ein Quantum Trost, ein Quantensprung der Technik.

Quanten scheinen in unserem Leben gegenwärtig zu sein, sie sind in die Alltagssprache eingedrungen, in den Zeitungen wird aktuell häufig von Quantencomputern berichtet. Doch weiß außerhalb der Physik kaum jemand, was Quanten eigentlich sind. Und was tut man heutzutage, wenn man eine Frage hat? Man schaut auf Wikipedia nach:

In der Physik wird unter Quant (von lateinisch quantum ‚wie groß‘, ‚wie viel‘) ein Objekt verstanden, das durch einen Zustandswechsel in einem System mit diskreten Werten einer physikalischen Größe erzeugt wird.

https://de.wikipedia.org/wiki/Quant

Glasklar. Danke Wikipedia! Nun gut, nochmal von Anfang: Stell dir vor du läufst über eine Wiese, die mit Laub bedeckt ist. Nehmen wir außerdem an, dass du nicht gern über Laub läufst und deshalb musst du das Laub auf deinem Weg wegräumen. Du darfst das Laub aber nicht auf andere Teile der Wiese werfen, es verbrennen oder ähnliches – nennen wir es das Lauberhaltungsgesetz. Du kannst einen beliebigen Weg wählen und je nachdem wie lang dieser Weg ist hast du am Ende folglich mehr oder weniger Laub angesammelt. Umgekehrt kannst du die Menge an Laub durch die Wahl deines Weges beliebig steuern. Wir sagen dazu: die Menge an Laub ist kontinuierlich.

Nun schauen wir uns eine andere Wiese an, die nicht in unserer klassischen Welt liegt, sondern in der Quantenwelt. Hier sind die Regeln etwas anders: Die Wiese ist aufgebaut wie ein Schachbrett und du darfst dich wie der König nur von einem Feld zum anderen bewegen. Außerdem musst du dementsprechend immer das gesamte Laub eines ganzen Feldes wegräumen – sagen wir du sammelst es in einem Eimer mit passender Größe. Da auf jedem Feld gleich viel Laub liegt sind alle Eimer, die du befüllst, gleich groß und randvoll. Am Ende deines Weges hast du also genau so viele Eimer gefüllt wie du Felder zurückgelegt hast und du wirst niemals einen halbvollen Eimer haben (oder einen ­­­halbleeren, für die Pessimisten unter uns). Du kannst also nicht mehr beliebig viel Laub ansammeln – es ist unmöglich die Menge Laub aus anderthalb oder 9¾ Eimern anzuhäufen. Die Menge an Laub ist in diskrete Pakete eingeteilt – in Laubquanten.

Mithilfe dieser Geschichte können wir nun die obige Definition übersetzen und verstehen. Die Schachbrettwiese ist ein System mit diskreten Werten und wenn wir uns auf ihr bewegen ändern wir unseren „Zustand“ – wir stehen dann woanders. Ein (Laub-)Quant ist nun das Objekt, dass bei unserer Bewegung erzeugt wird. Natürlich „erzeugen“ wir kein Laub im wörtlichen Sinne, aber es war vorher Teil der Wiese. Wir trennen es von ihr und formen es um.

Das klingt nun alles sehr abenteuerlich, aber tatsächlich funktioniert es in der Quantenwelt genau so. Natürlich nicht mit Laub, sondern zum Beispiel mit Energie. Paradebeispiel hierfür ist elektromagnetische Strahlung, oder in anderen Worten, Licht. Wenn man nah genug heran zoomen könnte würde man feststellen, dass Licht aus kleinen Energiepaketen besteht, sogenannten Photonen. Auf der Wiese funktioniert es genauso: Während das Laub für dich als Mensch sehr kontinuierlich aussieht zählt für eine Maus jedes einzelne Blatt. Auf die gleiche Weise kann Ant-Man, wenn er sich auf subatomare Größe schrumpft, im Quantenraum einzelne Energiepakete sehen.

Nun ja, das nun doch nicht. In der Theorie ist das eine nette Idee, aber in der Praxis völliger Unsinn. Der Vollständigkeit halber: Es ist unmöglich sich auf Quantengröße zu schrumpfen. Zurück also zur echten Physik.

Eine der Aufgaben von Quantenphysiker*innen ist es, die Struktur der Schachbrettwiese zu untersuchen. Die Größe der Felder kann variieren was zu unterschiedlich großen Laubeimern führt. Um von einer Seite der Wiese zur anderen zu kommen muss man also die passenden Eimer dabeihaben. Wie schon gesagt stellen die Laubeimer Lichtquanten dar. Aber was ist die Wiese? Dafür gibt es viele Möglichkeiten, aber eine der einfachsten sind Atome – die Bausteine der Materie. Alles um uns herum besteht aus Atomen: Luft, Wasser, Kaffeetassen, und auch wir selbst.

Das Laub auf der Wiese entspricht der Energie, die in einem Atom gespeichert werden kann. Genau so, wie wir Laub in Eimern von der Wiese entfernt haben, können wir Physiker*innen Energie in Paketen vom Atom entfernen. Umgekehrt können wir einem Atom auch Energiepaketen schenken. Wichtig ist hierbei, dass die Energie der Quanten zum Atom passt. Wenn ich zum Beispiel einen zu großen Eimer habe passt das Laub darin nicht auf ein Feld der Wiese. Ich kann nicht einfach die passende Menge Laub auf ein Feld legen und den Rest wieder mit nach Hause nehmen – Eimer und Feld müssen genau zusammenpassen. In der Quantenphysik gibt es nur: Ganz oder gar nicht!

Atom das ein Photon absorbiert
Ein Atom kann ein Photon aufnehmen, wenn es genau zu ihm passt (links). Wenn das Photon aber mehr Energie hat, als das Atom braucht, kann das Atom es nicht aufnehmen (rechts).

Wie weit müsste ich nun ranzoomen, um nicht die Blätter, sondern überhaupt erst die Quantenwiese – die Atome – sehen zu können? Atome sind die kleinsten Bausteine unserer Welt sind. Und sie sind sehr klein. Die kleinsten Atome haben einen Radius von ungefähr 0.1nm (Nanometer), ein zehnmillionstel Millimeter. Das ist 250.000-mal kleiner als die Dicke eines Haares. Ein Haar verhält sich zum Atom also ungefähr wie die Erde (12.742 km) zu einem Sportschwimmbecken (50m). Atome sind jedoch nicht unteilbar (wie lange angenommen), sondern bestehen ihrerseits aus einem positiv geladenen Kern und negativ geladenen Elektronen, die um den Kern herum fliegen. Der Atomkern hat eine Größe von ca. 1fm (Femtometer), das ist nochmals 100.000-mal kleiner als das Atom. Das wäre also in etwa ein Salzkorn (0.5mm) im Swimmingpool. Ein Atom ist also nicht nur sehr klein, sondern auch unfassbar leer. Würde man die gesamte Masse der Erde komprimieren und den leeren Raum zwischen den Atomen und innerhalb der Atome komprimieren hätte die resultierende Kugel einen Durchmesser von gerade einmal knapp 2cm – so groß wie eine Kirsche.

Atomstruktur
Ein Atom besteht aus negativen Elektronen (blau) und einem Kern, der wiederum aus Protonen (rot) und Neutronen (grau) besteht. Gluonen (grün) sorgen für die Bindung des Atomkerns.

Die Struktur von Atomen – ein „Salzkorn im Swimmingpool“ – ist alles andere als intuitiv und tatsächlich dauerte es auch sehr lang bis die Struktur des Atoms entschlüsselt wurde. Die grundlegende Vorstellung, dass Materie aus Atomen besteht, geht hingegen bis in die Antike zurück. Circa 400 vor Christus behauptete Demokrit, dass die gesamte Natur aus kleinen, unteilbaren Teilchen bestünde. In der Tat kommt auch das Wort „Atom“ aus dem Altgriechischen und bedeutet nicht-teilbar. Obwohl sich die alten Griechen in diesem Punkt etwas vertan haben ist ihre Weitsicht beeindruckend.

Das Bild des Atoms hat sich in den letzten 2400 Jahren jedoch noch ein kleines bisschen weiterentwickelt. Springen wir direkt zum Jahr 1909 und zu Ernest Rutherford. Damals wusste man bereits, dass das Atom aus Elektronen und Protonen – positiv geladenen Teilchen – besteht. Jedoch wusste man noch nicht in welcher Form. Es gab zwei konkurrierende Modelle: Auf der einen Seite das von Rutherford, bei dem die Elektronen um den kompakten Atomkern kreisen, der aus Protonen besteht. Auf der anderen Seite stand das Atommodell von Joseph Thomson mit dem wunderschönen Namen „Rosinenkuchenmodell“. Er nahm an, dass ein Atom aus einer positiv geladener Masse bestünde, in der die Elektronen verteilt sind – wie Rosinen in einem Kuchen. Rutherford konnte seine Theorie jedoch mit einem für die Physik historischen Experiment untermauern und gewann das Rennen. Für den Augenblick zumindest, denn sein Modell wurde gerade einmal vier Jahre später vom Bohrschen Atommodell ersetzt.

Das Atommodell von Niels Bohrs ist das erste, das Einflüsse der Quantenphysik enthält, die zu dieser Zeit noch in ihren Kinderschuhen steckte. Das Problem von Rutherfords Modell war, dass es nicht erklären konnte, warum das Atom überhaupt stabil ist. Ein Grundsatz der Elektrodynamik ist, dass sich gleiche Ladungen abstoßen, während sich verschiedene Ladungen anziehen. Warum fällt das negativ geladene Elektron nicht in den positiv geladenen Kern? Bohr versuchte dieses Problem zu lösen, indem er Postulate aufstellte. Was ist ein „Postulat“? Eine kühne Behauptung ohne jegliche Begründung. Ja, sowas darf man in der Physik und es ist sogar gar nicht so selten. Erstmal wird etwas behauptet und später darf jemand anders beweisen, warum es stimmt. Oder es zerschmettern, wie Rutherford es mit Thomson gemacht hat.

Bohr behauptete nun also:

  1. Ein Elektron darf sich nur auf bestimmten Bahnen bewegen.
  2. Ein Elektron kann von einer Bahn in eine andere hüpfen. Hierbei muss es jedoch die genau passende Energie aufnehmen oder abgeben. Dies nennt man Quantensprung.

Aha, die Quanten sind zurück! Das zweite Postulat besagt, was wir schon wissen: Die Menge Laub im Eimer muss genau zu der Menge Laub auf dem Schachfeld passen. Außerdem wird klar: Ein Quantensprung ist etwas sehr Kleines. Es ist die kleinste Änderung, die ein Atom, der Baustein von Materie, überhaupt durchführen kann. Wenn ihr in den Medien also die Phrase hört „Forschern ist ein Quantensprung der Technik gelungen“ dürft ihr nun also getrost die Hände über dem Kopf zusammenschlagen! Völliger Unsinn! Man kann sich hier jedoch mit etwas Linguistik herausreden. Fachsprachlich nennt man dies ein Januswort: ein Wort mit zwei gegensätzlichen Bedeutungen. In der Technik ist ein Quantensprung etwas Großes, Bedeutendes. In der Physik ist ein Quantensprung etwas winzig Kleines. Ein anderes Bespiel ist das Wort umfahren: „Weil ich den Stau umfahren wollte habe ich die Leitpfosten umgefahren.“.

Bohrs Modell war sehr erfolgreich und noch heute werden Atome symbolisch als Kerne mit darum liegenden Elektronenbahnen gezeichnet (ich bekenne mich schuldig). Tatsache ist jedoch, dass die Bohrschen Postulate zu ihrer Zeit den Regeln der Physik widersprachen und nicht erklärt werden konnten. Erst 10 Jahre später wurde dann auch dieses Atommodell durch eines ersetzt, das so im Prinzip noch heute verwendet wird. Dieses basiert auf den Ergebnissen der Quantenphysik und ist damit im Einklang mit den Regeln der Physik. Gott sei Dank!

In der Schule habe ich übrigens chronologisch all diese Atommodelle durchlaufen. Etwa in der 7. Klasse habe ich gelernt, dass es Atome gibt und dass es kleine Kugeln sind. Später lerne ich von Elektronen, die den Atomkern umkreisen. Als ich dann im Physik Leistungskurs gehört habe, dass Rutherfords Modell falsch ist und dass Elektronen auf ganz bestimmten Bahnen um den Kern fliegen (Bohrs Modell) habe ich langsam angezweifelt, was man uns in der Schule eigentlich beibringt. Warum lernen wir ein falsches Modell nach dem nächsten? Wie viele Modelle kommen noch und wie sieht das Atom nun wirklich aus? Oder sind Atome nur eine Erfindung des Bildungssystems??

Atommodelle
Die Atommodelle von Demokrit, Thomson, Rutherford und Bohr.

Ich schweife ab. Atome gibt es wirklich und für den Moment ist das Bohrsche Atommodell gut genug für uns. Es erklärt (mit waghalsigen Behauptungen) warum das Atom stabil ist und das Elektron nicht in den Kern stürzt. Es erklärt jedoch nicht, warum der Atomkern an sich stabil ist. Wir erinnern uns: Gleiches stößt sich ab. Müssten die Protonen im Kern nicht einfach auseinander fliegen? Man hatte in der Zwischenzeit zwar die Neutronen entdeckt – Teilchen ohne Ladung, die zusammen mit den Protonen den Kern bilden – doch auch diese konnten das Problem nicht lösen. Wieder haben sich Physiker*innen alle Mühe gegeben und eine Lösung postuliert. Um 1970 überlegte man sich, dass es eine sehr starke Kraft geben müsse, die die Protonen und Neutronen zusammenklebt. Diese Kraft wurde später tatsächlich gefunden und sie wurde „starke Wechselwirkung“ getauft. Das Teilchen (und das zweite Quant, das wir kennen lernen dürfen), das diese Kraft vermittelt, nannte man „Gluon“, vom Englischen to glue, kleben. Ihr könnt sehen, bei der Namensgebung waren ganz kreative Köpfe am Werk.

Diese ganze Geschichte zeigt sehr gut, dass viele Entdeckungen in der Physik die Folge von klugem Raten sind. In der Wissenschaft nennt man das postulieren – das klingt besser. Natürlich sind auch harte Arbeit und mathematische Fähigkeiten von Nutzen. Doch insbesondere ist die Quantenphysik eine Geschichte des klugen Ratens, scharfen Hinsehens, wilden Spekulierens und eines Quäntchen Glücks.

(Sorry Thomson)


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