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Die zwei Geburtstage der Quantenphysik – Teil 2: Einstein und der Funke, der übersprang

In meinem vorletzten Beitrag habe ich erklärt, dass Licht ganz tief drin aus Energiepaketen – aus Quanten – besteht. Diese entstehen zum Beispiel bei der Wechselwirkung von Licht mit Atomen, den Bausteinen unserer Welt. Das klingt sehr abenteuerlich und wirft viele, zum Teil tief philosophische Fragen auf. Und während man sich so darüber den Kopf darüber zerbricht stellt sich die Frage: Wer hat sich das ganze eigentlich ausgedacht?

Meinen letzten Artikel habe ich bereits Max Planck und dem schwarzen Körper gewidmet. Er konnte die Farbverteilung von Wärmestrahlung mithilfe der Annahme erklären, dass der Körper Energie nur in Paketen abgeben kann. Doch Planck hat dies als mathematischen Trick abgetan und über seine Folgen – dass er der klassischen Physik widersprochen hatte – nicht nachgedacht, geschweige denn seine Relevanz erkannt.

Die Frage ist also: Wer kommt noch als Vater der Quantenmechanik in Frage?

Niemand anders als Albert Einstein. Obwohl die meisten ihn wohl eher mit der Relativitätstheorie in Verbindung bringen, so hat Einstein doch maßgeblich zur Entwicklung der Quantenphysik beigetragen. Tatsächlich erhielt er seinen Nobelpreis 1921 nicht etwa für die Relativitätstheorie, sondern für seine Erklärung des photoelektrischen Effekts – eines der Schlüsselexperimente der Quantenphysik. Und wie viele Entdeckungen in der Physik war auch diese: reiner Zufall.

Heute wissen wir, dass Licht elektromagnetische Strahlung ist, also zeitlich und räumlich schwingende elektrische und magnetische Felder. Im 19. Jahrhundert wusste man das allerdings noch nicht. 1864 sagte James Clerk Maxwell die Existenz solcher Wellen voraus und bestimmte auch kurzerhand die Geschwindigkeit, mit der sie sich ausbreiten: die Lichtgeschwindigkeit. Das sind übrigens exakt 299.792.458 m/s – kein Komma, keine Messungenauigkeit. Das liegt daran, dass die Längeneinheit Meter über die Lichtgeschwindigkeit definiert ist:

Ein Meter ist diejenige Strecke, die das Licht im Vakuum in 1/299.792.458 Sekunden zurücklegt.

Wie lang ein Meter tatsächlich ist hängt also von der Lichtgeschwindigkeit ab. Das macht man so, da die Lichtgeschwindigkeit eine Naturkonstante ist – sie ist also überall im Universum und für immer exakt gleich. Es ist die höchste Geschwindigkeit, die irgendetwas überhaupt haben kann. Und 299.792.458 m/s ist ziemlich schnell. Ich versuche das einmal mit einer kleinen Anekdote anschaulich zu machen.

Roadtrip nach Andromeda

Ich habe einmal mit jemandem abends, als nichts besseres im Fernsehen lief, eine Doku über Astrophysik gesehen. Dort sagten sie unsere Nachbargalaxie Andromeda sei gerade einmal 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt. Man könne sich fast zuwinken! Die andere Person konnte sich darunter nicht viel vorstellen und fragte mich: „Wie lang würde es dauern, wenn ich da mit dem Auto hinfahren will?“

Gute Frage, keine Ahnung. Rechnen wir es aus!

Also, ein Lichtjahr ist eine Maßeinheit für eine Distanz – nicht etwa für die Zeit, wie man fälschlicherweise denken könnte. Da Entfernungen in der Astrophysik sehr groß sind (man sagt nicht von ungefähr etwas sei astronomisch groß), gibt man sie häufig mithilfe der Lichtgeschwindigkeit an. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die das Licht in einem Jahr zurücklegt. Die Definition ist sehr ähnlich zu der des Meters – im gleichen Spirit könnte man den Meter auch eine 1/299.792.458-stel Lichtsekunde nennen. Das ist aber etwas unhandlich, deshalb sagen wir Meter.

Für astronomische Entfernungen ist das Lichtjahr jedoch ganz praktisch, da sie die Zahlen kleiner macht. Die Sonne zum Beispiel ist 8 Lichtminuten entfernt. Das bedeutet, das Licht braucht 8 Minuten, um von der Sonne zu uns zu gelangen. Würde die Sonne also genau jetzt verschwinden, würden wir es erst in 8 Minuten bemerken. Das klingt vielleicht lang, aber wenn man bedenkt wie weit die Sonne entfernt ist, ist das super schnell!

Mithilfe der Lichtgeschwindigkeit können wir ausrechnen, dass 8 Lichtminuten ungefähr 150 Millionen Kilometer sind. Wenn wir nun sehr schnell fahren, sagen wir 200 km/h, brauchen wir gute 85 Jahre. Das lässt sich bei einer gesunden Lebensweise also tatsächlich in einer Lebensspanne machen! Wenn man so praktische Details wie fehlende Straßen, Tankstellen, Luft und die Temperaturen auf dem Weg mal außen vorlässt (ich bin theoretische Physikerin, sowas zu vernachlässigen ist quasi mein Job).


Nach Andromeda ist es nun aber ein kleines bisschen weiter. Nämlich 2,5 Millionen Lichtjahre, also 2 \cdot 10^{19} km (eine 2 mit 19 Nullen). Man ist also stolze 13.500 Milliarden Jahre unterwegs.

„Das soll nah sein?“ wurde ich schockiert gefragt. „Die spinnen doch, die Astrophysiker!“

Zu ihrer Verteidigung: auf astronomischen Skalen ist das tatsächlich klein. Die größte Dimension, die wir uns vorstellen können, ist die Größe des Universums. Die kann man tatsächlich abschätzen: Man weiß erstaunlich genau, wie alt das Universum ist, nämlich 14 Milliarden Jahre (wer gut aufgepasst hat weiß das aus dem Vorspann von Big Bang Theory). Am Anfang war das Baby-Universum in einem einzigen Punkt zusammengepresst. Beim Urknall ist aus diesem Punkt dann ganz schön viel Zeug rausgeflogen, wie zum Beispiel Strahlung, die sich, wie wir nun wissen, mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Da nichts schneller sein kann als Licht, kann der Durchmesser des Universums kann also maximal 2 \cdot 14 Milliarden Lichtjahre sein.

Sagen wir nun das eine Ende des Universums liegt in Konstanz und das andere in Flensburg, also einmal längs durch Deutschland. Das sind gute 1000 km. Dann ist Andromeda von mir, der Milchstraße, gerade einmal 180m weit weg – man kann gemütlich in 2 Minuten rüber spazieren und sich tatsächlich zuwinken.

Da fliegen die Funken

Genug von unserem Ausflug in andere Galaxien und kommen wir zurück zur elektromagnetischen Strahlung, die Maxwell vorausgesagt hat. 1864 war das eine reine Vermutung Maxwells, die nicht bewiesen war. Heinrich Hertz war es, der es sich zur Aufgabe machte, diese Hypothese mit Experimenten zu untermauern.

Experiment zum Funkenüberschlag
Zwei Elektroden zwischen denen wenig, mittel und viel Spannung herrscht (von oben nach unten). Zuletzt kommt es zum Funkenüberschlag.

Das Experiment, das er sich überlegt hatte, beinhaltete einen Funkenüberschlag zwischen zwei Elektroden. Das haben die ein oder anderen bestimmt schon einmal im Physikunterricht gesehen: Zwei Elektroden, üblicherweise zwei Metallkugeln, werden dicht voreinander gestellt – sie berühren sich jedoch nicht. Anschließend wird eine hohe Spannung zwischen den beiden angelegt und wenn die Spannung hoch genug ist springt ein Funke über. Das liegt daran, dass das isolierende Material zwischen den Elektroden (also die Luft) aufgrund der hohen Spannung kurzzeitig leitfähig wird, wodurch die Elektronen von einer Elektrode zur anderen springen können.

Hertz interessierte sich für genau diesen Funken, hatte jedoch Probleme ihn bei Tageslicht richtig zu sehen. Deshalb packte er das Experiment in eine Box und schaute sich den Funken durch ein Glasfenster an. So zumindest die Idee, denn er stellt fest, dass der Funken in der Box auf einmal viel kleiner geworden war. Da die Box der einzige Unterschied war musste es daran liegen – das Licht hatte offenbar einen Einfluss auf den Funken!

Anscheinend war das nicht spannend genug für Hertz, denn er widmete sich wieder seinem ursprünglichen Experiment, mit dem er die Existenz von elektromagnetischer Strahlung nachweisen wollte – was ihm 1886 auch tatsächlich gelang. Diese Entdeckung gilt als großer Triumpf des 19. Jahrhunderts. Für die es übrigens keinen Nobelpreis gab, falls sich diese Frage jemand gestellt hat, denn den gibt es erst seit 1901.

Doch uns interessieren ohnehin mehr die Triumpfe des 20. Jahrhunderts. Glücklicherweise hat sich Hertz‘ damaliger Assistent Wilhelm Hallwachs des Projekts angenommen und es weiterverfolgt. Er stellte fest, dass die UV-Strahlung im Sonnenlicht dafür sorgte, dass der Funke leichter überschlägt. Die Art des Lichts schien wichtig zu sein, denn mit einer Taschenlampe, die keinen UV-Anteil hat, funktionierte es nicht. Es hing außerdem vom Metall selbst ab – mit manchen Materialen funktionierte es besser als mit anderen. Außerdem wurde dieser Effekt mit der Zeit schwächer – das Metall schien sich abzunutzen. Auch wenn man die Beobachtungen noch nicht verstand erhielt der Effekt Hallwachs zu Ehren den Namen Hallwachs-Effekt.

Die Entdeckung der Photonen

1905, also 5 Jahre nach Plancks Lösung des Schwarzkörperproblems, nahm sich Einstein des Hallwachs-Effekts an und versuchte ihn zu verstehen. In dem Punkt war er ganz wie Planck: Er führte selbst keine Experimente durch, sondern versuchte Experimente von anderen Physiker*innen zu erklären.

Man muss nun bedenken, dass zu Einsteins Zeit weder Photonen noch Elektronen bekannt waren. Man wusste nur, dass ein Metall negative Ladung verliert, wenn es mit Licht bestrahlt wird. Aber warum? Eine harte Nuss!

Einstein ließ sich bei seinem Lösungsversuch ganz offensichtlich von Planck inspirieren. Planck hatte festgestellt, dass der schwarze Körper Energie nur in bestimmten Paketen abgeben kann. Die Frequenz f des abgestrahlten Lichts ist proportional zur frei werdenden Energie E, oder kurz E = h f, mit dem nach Planck benannten Planck’schen Wirkungsquantum h.

Einstein dachte sich dann: Warum sollte das für Licht nicht genauso gelten? Mit dieser einfachen Schlussfolgerung war die Lichtquantenhypothese geboren: Licht besteht aus Paketen – die später den Namen Photonen erhielten – deren Energie proportional zu ihrer Frequenz ist. Mehr brauchte es nicht, um den Hallwachs-Effekt, der nun photoelektrischer Effekt genannt wird, zu erklären:

Der photoelektrische Effekt
Der Photoeffekt. Wenn die Frequenz/Energie des Lichts zu gering ist (oben), reicht es nicht, um Elektronen aus dem Metall zu lösen. Erhöht man die Frequenz/Energie (mitte) werden Elektronen frei. Bei sehr hoher Frequenz/Energie (unten) erhöht sich zusätzlich die Geschwindigkeit der Elektronen.

Im Metall befinden sich Elektronen, also kleine Teilchen, die eine kleine Menge negativer Ladung tragen. Tatsächlich sogar die kleinstmögliche Menge elektrischer Ladung – man nennt es auch die Elementarladung. Um ein Elektron aus dem Metall zu lösen benötigt man nun eine bestimmte Mindestmenge an Energie, die vom Material abhängt. Strahlt man Licht mit einer zu niedrigen Frequenz ein (zum Beispiel rotes Licht anstelle von UV), reicht die Energie der Lichtpakete nicht, um ein Elektron herauszulösen. Erhöht man die Frequenz/Energie aber über einen bestimmten Wert, reicht die Energie um Elektronen freizusetzen. Erhöht man die Frequenz noch weiter, bleibt sogar noch etwas Energie übrig, die das Elektron verwenden kann, um schneller zu werden. Je höher die Frequenz/Energie des Lichts, desto schneller das Elektron. Der Zusammenhang dabei ist linear: verdoppelt man die Frequenz, verdoppelt sich auch die Geschwindigkeit.

Die Intensität des Lichts hat übrigens keinerlei Einfluss auf die Geschwindigkeit der Elektronen, wohl aber auf die Menge der freigesetzten Elektronen. Je stärker das Licht desto mehr Ladung wird freigesetzt.

Quantenmechanik – das ungewollte Kind

Nur weil neben Planck nun auch Einstein von Quantisierung spricht war diese Vorstellung noch lange nicht akzeptiert. Im Gegensetz zu Planck stellte Einstein es nicht mal mehr als mathematischen Trick dar, sondern er behauptete tatsächlich, dass Licht ein Strom aus Teilchen sei.

Das war schwer zu akzeptieren. Es gab so viele Experimente und auch die eigene, alltägliche Erfahrung, die zeigten, dass Licht sich wie eine Welle verhält. Sollte das auf einmal alles falsch sein? Ja und Nein, denn Licht verhält sich tatsächlich wie beides, was als Welle-Teilchen-Dualismus bezeichnet wird. Doch das ist ein Thema, dem wir uns an anderer Stelle widmen.

Einige Physiker*innen, wie zum Beispiel Robert Milikan, störten sich ganz besonders am Teilchenbild des Lichts. Er fand diese Idee so absurd, dass er seine ganze Energie darauf verwendete Einstein zu widerlegen. Wir erinnern uns an Boltzmann und Planck – Rivalität ist Dünger für wissenschaftlichen Fortschritt! Denn tatsächlich führten seine Experimente dazu, dass Einsteins Hypothese nicht etwa widerlegt, sondern untermauert wurde – zumindest mathematisch. An die tatsächliche Existenz von Photonen glaube er immer noch nicht.

Auch Einstein selbst haderte mit seiner Entdeckung. Doch soweit, sie als mathematischen Trick zu bezeichnen, ging er nicht. Obwohl er viel zur Entdeckung der Quantenphysik beitrug hat er sich lange dagegen gewehrt und sie angezweifelt. Tatsächlich war er bis zum Ende seines Lebens der Überzeugung, dass die Quantenphysik unvollständig sei.

Ganz offiziell wurde die Quantenphysik 1911, sechs Jahre nach Einsteins Entdeckung, mit der Solvay Konferenz über „Strahlungstheorie und Quanten“ anerkannt. Dass man die Quantenphysik offen im Titel einer Konferenz nannte und ihr damit einen Platz einräumte war bahnbrechend. Man war sich einig, dass die Quantentheorie den Kurs der Physik ändern würde.

Und sie hatten Recht. Die Entdeckung der Quantenmechanik war der große Durchbruch des 20. Jahrhunderts. Und heute ist sie so präsent wie eh und je. Nachrichten über neue Entdeckungen und Fortschritte in der Quantentechnologie sind regelmäßig in den Nachrichten, die Quantenmechanik ist ins Bewusstsein der Allgemeinbevölkerung gedrungen, wir befinden uns an der Schwelle eines neuen Zeitalters. Lasst mich euch mitnehmen in eine Welt, in der alles anders ist, als ihr es gewohnt seid; die mehr an Alices Wunderland erinnert als an den trockenen Physikunterricht in der Schule; und die selbst die größten Genies des 20. Jahrhunderts an die Grenzen ihrer Vorstellungskraft gebracht hat.

Willkommen in der Quantenwelt!


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Quellen:
https://universaldenker.de/physik/photoeffekt/geschichte

2 thoughts on “Die zwei Geburtstage der Quantenphysik – Teil 2: Einstein und der Funke, der übersprang

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