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Frohes neues Quantenjahr

Ich wünsche euch allen ein frohes neues Jahr und hoffe, ihr seid gut reingerutscht, wie man so schön sagt. Das kommende Jahr wird etwas ganz Besonderes: Die Vereinten Nationen haben 2025 zum Internationalen Jahr der Quantenwissenschaft und -technologie ausgerufen! Wenn das kein Grund zum Feiern ist.

Das Quantenjahr steht unter dem Motto „100 Jahre sind erst der Anfang …“. Denn in diesem Jahr feiert die Quantenphysik ihren 100. Geburtstag – so zumindest die Idee. Denn einen wahren Geburtstag für die Quantenphysik zu bestimmen, ist gar nicht so einfach.

Die alte Quantentheorie

Ich habe auf diesem Blog bereits zwei Geburtstage benannt. Zum einen den Moment, in dem Max Planck die Wärmestrahlung in Energiepakete, die Quanten, zerlegte. Zum anderen das Jahr, in dem Albert Einstein den photoelektrischen Effekt mit Photonen, also Lichtquanten, erklärte. Leider fand keines der beiden Ereignisse vor 100 Jahren statt, sondern 1900 und 1905.

Auch die berühmte Solvay-Konferenz mit dem Thema „Theorie der Strahlung und Quanten“ fand nicht 1925 statt sondern 1911. Es war die erste Konferenz, die sich den Quanten widmete. Mit dabei waren heute weltberühmte Physiker:innen wie Max Planck, Ernest Rutherford, Albert Einstein, Henri Poincaré und Marie Curie. Und mein persönlicher Favorit und honorable mention: Friedrich Hasenöhrl. Großartiger Name.

Es waren zwei aufregende Jahrzehnte für die Quantenphysik. 1913 stellte Niels Bohr sein Atommodell vor, das auf diskreten Energiezuständen basierte. 1924 formulierte Louis de Broglie seine Theorie der Materiewellen, ein Manifest des Welle-Teilchen-Dualismus. Damit wurden die wichtigsten Eckpfeiler der Quantentheorie entdeckt und diskutiert: quantisierte Strahlung und Energiezustände im Atom, Photonen, der Welle-Teilchen-Dualismus.

Trotzdem ist keines dieser Ereignisse die Erklärung für das Quantenjahr 2025. Die Jahre 1900 bis 1924 werden vielmehr als die Jahre der „alten Quantentheorie“ bezeichnet. Es war eine Art Eichhörnchen-Phase der Quantenphysik. Überall zeigten sich Hinweise auf eine grundlegend neue Theorie. Physiker erarbeiteten erste Gleichungen und Konzepte, diese standen aber alle noch für sich allein. Sie ergaben noch kein einheitliches Bild. Auch stützten sie sich auf bekannte Konzepte aus der klassischen Physik. Mit anderen Worten: Es wurde Zeit, den Beckenrand loszulassen und die unbekannten Gewässer zu erkunden.

Warum ist 2025 Quantenjahr?

Zentrale Figur des Jahres 1925 und der Emanzipation der Quantenphysik ist Werner Heisenberg. Jedoch nicht wegen seiner berühmten Heisenbergschen Unschärferelation, die stellte er erst 1927 auf. Sondern wegen einer Entdeckung, die er 1925 machte und ihm 1932 den Nobelpreis für Physik einbrachte. Diesen erhielt er nämlich für nichts Geringeres als „die Begründung der Quantenmechanik, deren Anwendung – unter anderem – zur Entdeckung der allotropen Formen des Wasserstoffs geführt hat.“

In seinem Aufsatz „Quantentheoretische Umdeutung kinematischer und mechanischer Beziehungen“ von 1925 formulierte Werner Heisenberg die Quantenmechanik neu. In der englischsprachigen Literatur trägt es auch den Namen „Umdeutung paper“. Darin erklärte Heisenberg, dass man sich von Begriffen der klassischen Mechanik verabschieden müsse und er begann, die Quantenmechanik neu und sauber zu definieren.

Matrizenmechanik

Dieser neue Weg trägt den Namen Matrizenmechanik. Ausgangspunkt sind Matrizen, wie viele sie vermutlich noch aus der Schule kennen. Im einfachsten Fall besteht eine Matrix aus Zeilen und Spalten, in denen Zahlen stehen. Die Grundidee ist es, physikalische Größen wie den Ort, Impuls oder die Energie nicht mehr als einzige Zahl darzustellen, wie man es aus der klassischen Physik gewöhnt ist, sondern als Matrix. Die Matrix beschreibt alle möglichen Zustände eines Quantensystems und Übergänge zwischen diesen Zuständen.

Die Matrizenmechanik entwickelte Heisenberg nicht allein, sondern gemeinsam mit Max Born und Pascual Jordan. Den Nobelpreis erhielt jedoch nur Heisenberg, vermutlich weil er allein Autor des ersten, historischen Umdeutungs-Papiers war. Das Ergebnis ihrer gemeinsamen Bemühungen war ein mathematischer Formalismus, der erstmals eine widerspruchsfreie Beschreibung der Quantenwelt ermöglichte. Noch heute sind Matrizen eines der wichtigsten Werkzeuge in der mathematischen Toolbox der Quantenphysik.

Tatsächlich nahm zu der Zeit auch der Begriff „Quantenmechanik“ seinen Ursprung. In einem Brief an Wolfgang Pauli vom 21. Juni 1925 schrieb Heisenberg:

Wenn so etwas wie die [klassische] Mechanik gälte, würde man nie verstehen können, dass es Atome gibt; es gibt eben eine andere, eine ‚Quantenmechanik‘.

Diese quantentheoretische Mechanik brauche, analog zur klassischen Mechanik, ihre eigene Mathematik und Grundgleichungen.

Nur ein Jahr nach Heisenberg, also 1926, stellte Erwin Schrödinger die Schrödingergleichung auf, die zentrale Gleichung der Quantenphysik. Er orientiert sich eher an de Broglies Wellenbild der Quantenphysik und beschrieb Materie als Wellen. Damit begründete er die Wellenmechanik. Nur wenig später zeigte er, dass sein Formalismus zur Matrizenmechanik von Heisenberg, Born und Jordan äquivalent ist.

Allotroper Wasserstoff?

Das Nobelkomitee hob hervor, dass Heisenbergs Formalismus „zur Entdeckung der allotropen Formen des Wasserstoffs geführt hat.“ Was heißt das?

Allotropie ist die Eigenschaft, dass ein Stoff im gleichen Aggregatzustand in zwei oder mehr Varianten vorkommen kann. Ein Beispiel ist Kohlenstoff: Diamant ist Kohlenstoff im festen Aggregatzustand. Grafit aber auch. Und Graphen. Diamant ist extrem hart, Grafit weich. Diamant leitet keinen Strom, Grafit schon.

Auch molekularer Wasserstoff (H2) tritt in zwei Varianten auf. Die beiden unterscheiden sich stark in ihren physikalischen Eigenschaften, zum Beispiel ihrer Wärmekapazität und elektrischen Leitfähigkeit. Das konnte Heisenberg mit seiner Theorie erstmals feststellen, später wurde das auch experimentell bestätigt.

Experten-Hinweis: Die zwei Varianten sind Ortho- und Parawasserstoff. Die Kerne der beiden Atome eines Wasserstoffmoleküls bestehen aus je einem Proton. Das Proton hat einen Spin von ½ und dieser kann nach oben oder unten zeigen. Im Parawasserstoff ist die Wellenfunktion antisymmetrisch gegenüber Vertauschung der Spins (das ist der Singulett-Zustand). Im Orthowasserstoff ist sie symmetrisch (Triplets).

Was ist los im Quantenjahr?

Seit Heisenberg, Schrödinger und Co. ist viel passiert. Die erste Quantenrevolution, der Beginn der zweiten Quantenrevolution, Quantencomputer und Quantenüberlegenheit. Besonders in den letzten Jahren geht die Entwicklung rasend schnell voran. Deshalb wollen die Vereinten Nationen in diesem Jahr einen besonderen Blick auf die Entwicklung der Quantentechnologie werfen.

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft koordiniert das Quantenjahr in Deutschland. Das ganze Jahr über werden in ganz Deutschland viele Events stattfinden, Termine findet ihr auf ihrer Website.

Ein kleiner Programmtipp für alle Berliner:innen unter euch: Am 14. Januar findet die offizielle Eröffnung des Quantenjahres an der Humboldt-Universität zu Berlin statt. Teil dessen wird eine Podiumsdiskussion zum Thema „Quantenphysik: Die nächsten 100 Jahre“ sein, bei der ich mit wahnsinnig großen Namen der heutigen Quantenphysik diskutieren darf:

  • Tommaso Calarco, der das Milliardenschwere, europäische Forschungsprogramm „Quanten Flagship“ mitgegründet hat (hier ein Interview von mir mit ihm gibt’s im Tagesspiegel, leider hinter der Paywall)
  • Jan Goetz von IQM Quantum Computers
  • Heike Riel von IBM Research Quantum Europe
  • dem Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung Henry Marx

Vielleicht sehen wir uns dort! Darüber hinaus wird es nächstes Jahr viel zu entdecken geben. Ich freu mich auf ein aufregendes Jahr.


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2 thoughts on “Frohes neues Quantenjahr

  1. Dankeschön – ich habe die Beiträge tatsächlich vermisst 😊 Nicht viele Menschen können komplexe Zusammenhänge derart verständlich und zudem noch humorig erklären. Auch wenn wir uns nicht kennen: Viel Freude und Erfolg im neuen (Quanten-)Jahr und im neuen Job!

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